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Marokko Foum Zguid Rundkurs (SFF)

Ich bin unterwegs auf einer Route der Pistenkuh mit dem Namen "Foum Zguid Rundkurs (SFF)", die mit der Besonderheit gekennzeichnet ist: "Sehr einsame Wüstengegend, teils dicht an der algerischen Grenze entlang" ... und diese Beschreibung kann ich aus meiner Erfahrung der nächsten Tage mehr als bestätigen. Ich bin schon ein gutes Stück aufgeregt, zum ersten Mal mit einer Offroad-Navigation (Angaben zur Navigation folgen später) einer Piste ins völlig Unbekannte zu folgen! In den vergangenen Tagen konnte ich mich noch auf Olli verlassen und mich einfach an dem bunten und faszinierenden Durcheinander von Straßen- und Satellitenkarten und der immer länger werdenden Schlangenlinie unserer gefahrenen Pisten auf dem Bildschirm begeistern. Jetzt hängt meine Sicherheit davon ab, daß ich alles richtig mache!

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Die Route SFF ist die nach Süden ausladende "Traube". Die von rechts kommende Route ist der letzte Rest unserer Querung der Erg Chegaga

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in der Einsamkeit der südlichen Erg Chegaga

Bereits wenige Kilometer südlich von Foum Zguid verlasse ich den Asphalt der Straße und biege auf eine Piste ein, die mich in Richtung der algerischen Grenze führen wird.

Erg Chegaga, SFF
immer weiter nach Süden in der Erg Chegaga
Wanderer in der Erg Chegaga
... ohne Worte ...
Kamele an der SFF
Begleiter in der Einsamkeit der Wüste

Nach vielleicht 1,5 h und knapp 30 km (!) habe ich einen wunderschönen Platz für eine Pause gefunden: eine Oase aus Palmen entlang eines früheren Baches. Hier, wirklich allein, weit weg von der "Geschäftigkeit" und der Beobachtung auf dem Campingplatz in Foum Zguid, gibt es endlich Frühstück und Ruhe und Abstand um mir klar zu machen, was jetzt vor mir liegt: Es ist, ja, was eigentlich? Ein freudiges, ein erregendes, ein aufregendes, ein respekteinflößendes, ein beklemmendes, ein mißtrauisches und auch ein ängstliches Gefühl. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich in einem Fahrzeug, ganz allein, unterwegs in ein Gebiet, weit abseits aller Siedlungen, Niederlassungen - Menschen. Niemand auf der Welt weiß, daß ich hier bin - wo immer auch dieses Hier ist. Niemand wird mich suchen, Freunde zu Hause vielleicht. Dort habe ich mich auf "unbestimmte Zeit" abgemeldet ... vielleicht in 2 Wochen, wenn ich mich nicht wieder melde, werden sie versuchen mich zu erreichen ... und dann? Wenn ich mich nicht melde ... sollen sie Panik machen? Nein, es wird eine weitere Woche vergehen ... und dann? Panik machen? Sicher nicht ... Irgendwann werden sie sich vorsichtig erkundigen, was es für Möglichkeiten gibt ... und irgendwann, wenn der deutsche Amtsschimmel endlich gesattelt ist, wenn irgendwann marokkanische Behörden informiert sind ... o.k., ich will auch keine Panik machen, aber "man" muß sich schon sehr bewußt machen, daß es bei einem Zwischenfall keine Hilfe geben wird! Ich bin weit abseits der Routen auf denen Touristen üblicherweise unterwegs sind und ich fahre meine eigenen Spuren, stehe irgendwo im "Nichts", in Tälern, weit weg von Pisten, nicht einsehbar. Noch einmal: o.k., keine künstliche Dramatik. Auch wenn ich mir manchmal wie auf dem Mars vorkomme - auch hier gibt es Menschen, Militärposten die hier die Grenze zu Algerien kontrollieren und mich mit Fernstechern wahrscheinlich schon längst ausgemacht haben ... und es gibt Nomaden, Hirten, die hier manchmal vorbei ziehen und so etwas wie der Wanderer, wird von ihnen sicher nicht übersehen weil es völlig fremd und nicht Teil ihrer Welt ist ... Was aber bleibt, ist ein gehöriges Stück Respekt und das Bewußtsein, ein klares Risiko einzugehen.

Frühstücksplatz des Wanderer
Frühstücksplatz des Wanderer

 

Die Piste führt jetzt entlang der "Sägezahnberge" (meine Namensgebung) und später überfahre ich einen Paß mit knapp 600 m Höhe durch die Gebirgskette. Wenige hundert Meter später kommt ein Militärposten - die ersten Menschen, die ich seit heute Morgen sehe: Es dauert bestimmt eine 1/4 h, reden auf englisch, deutsch, französisch und mit Händen und Füßen - und einem Fiche (mehr zum fiche hier). Danach werde ich wortreich und mit vielen Wünschen für eine gute Fahrt verabschiedet und komme jetzt in eine völlig andere Landschaft. Luft und Himmel sind schlagartig nicht mehr blau, sondern völlig mit Wind und Staub durchsetzt - eine weitgehend ebene, unendlich graue Einöde! Beklemmend, bedrückend, faszinierend, unendlich einsam und verlassen. Dann wieder eine Fata Morgana, eine Luftspiegelung über der kochenden Wüste. Alles sieht wirklich so aus, als läge vor mir eine riesige, flache Wasserfläche - verständlich, daß jeder in der Wüste Verschollene auf so ein Bild einfach zulaufen muß!

auf dem Weg zu den Sägezahnbergen
auf dem Weg zu den Sägezahnbergen
meine Sägezahnberge
meine Sägezahnberge
kurz vor dem Paß
kurz vor dem Paß
eine völlig andere Landschaft nach dem Paß
eine völlig andere Landschaft nach dem Paß
Spuren von Wasser
in dieser schier endlosen Wüste muß es irgendwann einmal Spuren von Wasser gegeben haben
Militärpatrouille
Militärpatrouille hinter dem Wanderer

 

Irgendwann halte ich an, baue meine Kamera auf und will eine kleine Filmsequenz drehen, als ich "sie" sehe: Eine Militärpatrouille stand auf einmal -aus dem Nichts- hinter dem Wanderer - ein Armeejeep mit einem Soldaten am Steuer und einem "Zivilisten" mit Funkgerät. Sie sprechen kein englisch, ich nur sehr schlecht französisch aber irgendwie verstehe ich, daß das hier Militärgebiet sei und ich nicht weiter fahren dürfe. Nach etlichen Kommunikationsversuchen eskortieren mich die beiden mitten durch die Wüste, nahezu parallel zu meinem vorgesehenen Track. Als sie wieder einmal halten um mich heranfahren zu lassen, steige ich mit meinem Navigationstablet aus und zeige ihnen meinen vorgesehenen Track, der bald darauf nach Norden, weiter weg von der Grenze zu Algerien zeigt. Der "Offizier" versteht es anscheinend, wieder werde ich mit vielen guten Wünschen und Handschlag verabschiedet. Die beiden fahren noch eine ganze Zeit hinter mir her und sind dann irgendwann endgültig verschwunden.

.. und dann beziehe ich irgendwo im Nichts meinen Stellplatz für die Nacht ... oder länger ... in der absoluten Einsamkeit - Lost Place. Ich fühle mich wie Mark Watney im Film "Der Marsianer"

auf dem Mars
das muß Mark Watney auf dem Mars gesehen haben
der Wanderer auf dem Mars
der Wanderer "auf dem Mars" (winzig klein in der Bildmitte)

 

allein auf dem Mars
allein in einer "Raumstation auf dem Mars"

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Gedanken in der Einsamkeit

Es ist eine Freiheit, die es so zu Hause nicht gibt! Ich fahre auf Straßen, die keine Straßen sind, oftmals nur Spuren im Sand, so manchesmal nicht einmal das. Keine Schilder, keine Vorschriften, kein "Betreten verboten". Niemand der mich reglementiert oder sanktioniert wenn ich gegen irgendeine Konvention verstoße. Ich stehe in einer Umgebung, die nur ich bestimme, kann dort schlafen ohne auf ausgewiesene Stellen oder Campingplätze beschränkt zu sein. Nur meine Entscheidung, meine Verantwortung ... aber auch mein Risiko! Niemand, der weiß wo ich bin. Niemand, der mich hier rausholt wenn es Probleme gibt, ob am Fahrzeug oder ob Krankheit oder Unfall. Meine Verantwortung - nur ich selbst kann mich auch wieder befreien - oder eben nicht - mein Risiko, keine Hängematte-Versicherung die mittlerweile unser Leben bestimmt - nicht gegen Wasserschaden, Kapitalunterdeckung, Risikoausfall, Feuerschaden und was auch immer.

Drei Tage stehe ich jetzt hier in dieser unglaublich kargen Marslandschaft! Nur Sand, Steine und Felsen um mich herum, der nächste Baum (oder ist es doch nur ein Strauch?) ist mehrere hundert Meter von mir entfernt. Was mache ich hier in der Einsamkeit? Oder ist es eine Alleinsamkeit? Nach konventionellem Sprachgebrauch ist man allein, wenn man eben allein ist, wenn also niemand sonst da ist. Sicher, das bin ich also, allein. Dann gibt es kontextbezogen eine Eskalationsstufe vom Alleinsein - wenn Man(n) keine Partnerin hat mit der man sein Leben teilt. Mhm, seit einigen Jahren auch ohne Partnerin, nicht so ausgesucht, nicht so entschieden, nicht freiwillig - aber eben auch hier: allein! Also zweimal allein? Einsam? Einsamkeit hat bei uns so ein "Geschmäckle". Wer einsam ist, der leidet auch. Leide ich? Nein, bestimmt nicht! Klar wäre eine Partnerin schön, jemand, mit dem man all diese unglaublichen Eindrücke und Erfahrungen teilen könnte - nur leider gibt es diese liebe Fee, die einem einen Wunsch erfüllt, nur in Kinderträumen, nicht im wirlichen Leben. Also doch einsam? .. und noch entschiedener: Nein! Dieses Geschmäckle ist nämlich nicht dabei! Diese Welt um mich herum ist so außergewöhnlich, so fremdartig, so -scheinbar- lebensfeindlich und doch gleichzeitig so faszinierend schön, ich kann mich einfach nicht sattsehen an dieser absoluten Reduzierung um mich herum. Die Welt besteht nur noch aus dem kargen Boden unter mir und dem unendlichen Himmel über mir. Es ist, als ob die Zeit selbst stehen geblieben sei. Am frühen Morgen, wenn die Sonne erst ein kleines Stück über dem Horizont steht, gibt es noch kein Hitzeflimmern, die Luft ist absolut klar. Es gibt keine einzige Bewegung, kein einziger, noch so geringer Laut. Es ist so, als sei ich in ein Bild gefallen, das jemand schon vor Jahrzehntausenden aufgenommen hat und das sich seitdem in keiner Weise verändert hat. Ich bin Teil dieses Bildes geworden. Nur ist dieses Bild real, greifbar, ich sehe den Raum, spüre ihn, mit all meinen Sinnen, von einem Horizont zum anderen. Das sind Eindrücke, Erfahrungen, die derart außergewöhnlich und beeindruckend sind, daß ich sie in diesen Momenten mit nichts auf der Welt tauschen möchte.

Hier, in der Wüste, herrscht Bewegungslosigkeit. Die Zeit steht still. Kein Zweig, der sich bewegen könnte. Kein Vogel, der durch die Luft zieht. Kein Kondenssreifen oben am Himmel, keine einzige Wolke. Stille. Eine so umfassende und allgegenwärtige Stille, das absolute Fehlen eines jeden Geräusches, daß ich manchmal sogar bewußt noch langsamer atme, weil sonst das leise Rauschen der Luft in meiner Nase wie ein Frevel in dieser Welt wäre.

Auch die Welt in meinem Kopf ist anders geworden. Diese ewig lärmende Betriebsamkeit und Hektik die sonst schon kurze Zeit nach dem Wachwerden beginnt, dieses immerwährende, rastlose "oh, das darf ich nicht vergessen, heute muß ich unbedingt dieses & jenes tun", ist vollkommen verschwunden. Es gibt keinen inneren Schweinehund den ich besiegen muß weil "das doch unbedingt erledigt werden muß". Kein Radio das ich morgens einschalte, daß mich nervt weil schon wieder Werbung läuft ... und danach die Nachrichten, Nachrichten über einen Donald Duck, der wieder und wieder von einem Porzellangeschäft ins nächste zieht und dabei zerschlägt, was andere in mühevoller Arbeit in Jahren oder Jahrzehnten aufgebaut haben. Oder einer Anne-Wilfried Knatsch-Knarrenbauer die mit unseren Steuergeldern genauso inkompetent und unverantwortlich wirtschaftet wie viele andere Regierungsmitglieder. Nichts über eine Regierung die in ihrer Selbstwahrnehmung völlig vergessen hat, das sie das Land und die Menschen nicht beherrschen oder erziehen soll, sondern die einen zeitlich befristeten Auftrag hat, den Willen des Volkes durch politisches Handeln umzusetzen. Keine Reizüberflutung durch nicht enden wollende Horrormeldungen über abschmelzende Gletscher, Überschwemmungen hier, Dürren und Waldbrände dort. Das alles ist hier draußen nicht vorhanden, so als hätte es nie existiert und würde nie existieren. Es hat hier keine Bedeutung. Hier draußen, in der absoluten Einsamkeit, relativiert sich die gewohnte Welt, selbst der von uns Menschen verursachte Klimawandel. Die Wüste strahlt eine derartige Zeitlosigkeit aus, als sei sie schon seit Anbeginn der Zeiten hier gewesen und würde es auch bis zum Ende jeder Zeit noch sein. Die Erde wird sich in den nächsten Jahrzehnten gravierend ändern. Ich persönlich bin davon überzeugt, das wir schon längst einen oder mehrere TippingPoints überschritten haben, die das Pendel unaufhaltsam, langsam anfangs, dann aber immer schneller in eine andere Richtung ausschlagen lassen. Durch unser unverantwortliches Tun werden wir ungezählte Arten und Wesen mit in unser eigenes Unglück reißen - die Erde aber wird es überstehen! Es wird eine andere Erde sein als die, die wir kannten, aber sie wird weiter da sein. Lange noch, wenn wir schon längst nicht mehr auf ihrer Oberfläche wandeln. Für sie ist es weniger als ein Wimpernschlag in ihrer Lebenszeit.

 

Einsamkeit oder Alleinsamkeit

 

Es ist schon späterer Abend als ich noch einmal aus dem Wanderer nach draußen gehen will. Als ich die Tür öffne, ist es ein richtiger Schreck! Auf der anderen Seite der Tür ist eine Schwärze, als ob ich eine Tür zum Rand des Universums geöffnet hätte und direkt in das absolute Nichts hinter diesen Rand sehen würde! Die Schwärze ist so vollkommen, als ob auch das allerletzte Photon hier seine Existenz verlieren würde. Ich blicke gegen eine schwarze Wand, ein Nichts, das Milliarden Lichtjahre entfernt oder auch tief sein könnte, so tief, daß mir der Atem stockt. Als ich draußen und auf meinem Campingstuhl bin, ist auch die Stille wieder da, eine Stille, die genauso vollkommen wie die Dunkelheit ist. So, als ob auch die Luft aufgehört zu existieren hätte und damit auch jede Schallwelle unmöglich macht. Ich wage kaum zu atmen. Alles um mich herum scheint mich gleichermaßen verschlingen zu wollen als auch in eine nicht zu fassende Distanz zu allem zu bringen, was existiert. Erst ganz langsam schält sich aus der umfassenden Schwärze so etwas wie ein Himmel ab. Da aber am Abend tatsächlich Wolken aufgezogen sind, sind sogar die Sterne nur ganz vereinzelt und vage wahrzunehmen. Es bräuchte einen Dichter um das hier beschreiben zu können - ich kann es nicht. Ich spüre nur die Ehrfurcht und Demut vor dieser Umgebung, die gewaltig aber in keiner Form gewalttätig ist ... Alle Sinne sind bis auf`s äußerste angespannt um irgendetwas, ein Knistern, ein Rascheln oder nur einen winzigen Windhauch wahrzunehmen - nichts! Absolut nichts! Nur, wenn ich genau hinhöre, ist da das beständige Rauschen meiner knapp 100 Milliarden Neuronen, die einfach nicht damit aufhören sich gegenseitig ständig zu versichern, daß sie noch da sind - und der eigene Herzschlag, der sich als rythmisches Auf und Ab dieses Rauschens darstellt.

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