Sie sind hier: Global-Wanderer > Reisen > Südamerika > Inhaltsverzeichnis
> Feuerland - Tierra del
Fuego > Fin del Mundo > Estancia
Moat
Estancia Moat
Nach einer richtig guten, absolut ruhigen Nacht, stehe ich ein paar
Meter neben dem Wanderer und schaue auf
diese Welt um mich herum. Es ist der letzte Tag dieses Jahres 2023 und
ich bin an einem der außergewöhnlichsten Orte auf diesem Planeten. Bis
Kap Hoorn auf der Isla de Hornos, sind es nur etwas über 100
Kilometer. Vor mir, im Südosten, sehe ich die Sonne, jetzt am frühen
Morgen, hinter Wolkenschlieren über dem Beagle Kanal, am Fin del Mundo, dem Ende der Welt, the End of
the World. Auf der gegenüber liegenden Seite des Meeresarms leuchten
die schneebedeckten Kämme der allerletzten Ausläufer der Kette der
Anden auf der Isla Navarino, grellweiß
auf. Mein Verstand nimmt das alles wahr, sagt mir das alles, nimmt es
einfach so hin, kennt und akzeptiert die Fakten - etwas anderes, mein
Herz, mein Bauch... was auch immer, ist andächtig, ehrfürchtig, voller
Staunen und kann es irgendwie überhaupt nicht begreifen. Ich habe es
sicher schon einmal gesagt, aber mir fehlen die Worte um diese Momente
wirklich treffend beschreiben zu können! Ich müßte ein Poet sein um
auch nur ansatzweise die richtigen Worte für diese Momente zu finden.
Ich muß an den Satz denken, den ich auch auf der Eröffnungsseite meines
Internetportals geschrieben habe:
Leben ist nicht die Zeit in der du ein- und
ausatmest - Leben sind die Augenblicke, die dir den Atem rauben
Das ist einer dieser Augenblicke!
Ich sitze am Laptop und versuche, wenigstens diese Worte zu finden um
zu beschreiben, wo -im wahrsten Sinne des Wortes- ich gerade bin. In
meinem ganzen Leben hatte ich am Schreibtisch immer Musik im
Hintergrund laufen. Diesmal sind es nur wenige Momente bis ich den
Player wieder ausschalte. Es paßt einfach nicht zu diesen Augenblicken.
Es stört die Besonderheit, die Ehrfurcht, die Erhabenheit die ich
empfinde.
Schon früh starte ich den Wanderer um
die wenigen verbliebenen Kilometer bis zur Estancia Moat zu fahren. Ich
muß noch den Rio Moat auf einer dieser
abenteuerlichen Brücken überqueren, passiere das Tor der Estancia und
dann bin ich da! ..an der Prefectura Naval
Argentina, einer Marinestation, von der aus der Schiffsverkehr im
Beagle Kanal beobachtet und registriert wird - und es ist das Ende
aller Straßen! Das Ende aller Pisten! Das Ende der Welt - Fin el Mundo!
Nirgendwo auf der Welt komme ich mit einem Fahrzeug weiter nach Süden,
an den Rand der Antarktis, als an diesem Ort! 4.880 Kilometer und 38
Tage vom Paraiso Suizo entfernt.
alle Bilder
können -wie gehabt- mit einem Mausklick vergrößert und wieder geschlossen
werden
Sonnenaufgang über dem Beagle Kanal
von meinem letzten Stellplatz sind es nur
noch wenige Kilometer
bis zum Ziel |
Prefectura Naval Argentina
das Ende aller Straßen! Das Ende aller Pisten!
Das Ende der Welt - Fin el
Mundo |
Blick von der Prefectura auf die Küste,
die ich gestern
gefahren bin |
Karte Tierra del Fuego
Cabo Moat - Fin del Mundo
Screenshot von meinem Navi - Wanderung zum
"Ende der Welt"
Beim "R" von Rio Moat ist der Stellplatz den ich später
beziehe. Der Stern darunter "The End of the World" ist die
Prefectura Naval Argentina und
der Stern ganz unten "Getting to ... hike" ist das Cabo Moat -
Fin del Mundo
|
Eine einzige Sache fehlt jetzt noch: Der Leuchtturm vom
Cabo Moat. Bei der Prefectura
erkundige ich mich nach dem Weg und erfahre, daß es ihn nicht
gibt - auch wenn Tante Google da anderer Meinung ist und noch
einen dünnen Strich bis zum Faro, dem Leuchtturm, zieht. An der
Prefectura vorbei gehe ich durch eine dichte Strauch-, Wald-
und Sumpflandschaft mit tiefschwarzer und manchmal brauner
Torf-Erde, oft vorbei an tiefen Sumpflöchern mit von den
Huminstoffen des Bodens fast schwarzem Wasser. Dann wieder am
Strand entlang mit kopf- und kürbisgroßen Steinen und
grauweißem Treibholz, welches hier über Jahrzehnte und
vielleicht sogar Jahrhunderte angeschwemmt wurde.
Dann habe ich es geschafft: Ich stehe am verwitterten Gerüst
des Leuchtfeuers von Cabo Moat. Für mich und jeden Menschen,
der nicht auf einer der weiteren Inseln Feuerlands lebt, ist
hiermit das äußerste Ende der Welt erreicht. Die Landschaft ist
unberührt, wild, schön und absolut einsam. Kein spektakulärer
Mahlstrom im Beagle Kanal, durch den das Meer verschwindet...
keine Kante, an der die Welt sichtbar endet... Bis auf die
Wellen liegt die Landschaft absolut bewegungslos vor mir. Ich
habe das Gefühl, daß es hier schon seit Anbeginn der Zeiten so
war und noch am Ende der Zeit so sein wird. Nur mein Verstand
meldet sich wieder dazwischen und merkt an, daß der Herzschlag
der Erde nur einfach viel zu langsam für mich kleines Wesen
ist, als das ich ihn wahrnehmen könnte.
Es ist außergewöhnlich. Lange bleibe ich noch hier sitzen und
versuche für mich zu fassen und zu begreifen, wie unglaublich
lang -wahrlich nicht nur in Kilometern- der Weg für mich bis zu
diesem Ort und diesem Moment tatsächlich war...
Wieder auf dem Rückweg nehme ich plötzlich eine Bewegung an
der Steilküste neben mir wahr: Ein riesenhafter Albatros segelt auf Augenhöhe nahezu
bewegungunslos in weniger als 10 Metern Entfernung gegen den
Wind langsam an mir vorbei. Instinktiv will ich zum
Kamerarucksack greifen, aber, bis ich den Rucksack unten, die
Kamera herausgenommen, eingeschaltet, das Objektiv justiert
habe, würde er nur noch ein kleiner Fleck auf dem Bild sein. So
schaue ich ihm nach, wie er langsam an der Küstenlinie entlang
verschwindet und bin einfach nur überwältigt! So einen schier
gigantischen Vogel habe ich noch niemals gesehen! Wieder einmal
ist es atemberaubend ...
|
Screenshot vom Handy am Cabo
Moat |
alle Bilder
können -wie gehabt- mit einem Mausklick vergrößert und wieder geschlossen
werden
|