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Noch während des Aufstiegs zum nächsten Paß kommt wieder das gefürchtete Schild "Fin de Pavimento" und es beginnt erneut eine verdammt fürchterliche Piste. Kurz bevor ich den Paß erreiche, scrollt das Navi auf die nächsten paar hundert Meter vor mir und ich traue meinen Augen kaum! Die angezeigten Serpentinen folgen derart eng und dicht, daß sie nur noch in Vergrößerung auf dem Display aufgelöst werden! Die Realität ist noch brutaler! Die Kehren sind derart steil und auch mit bösen Stolpersteinen durchzogen, daß ich selbst in den niedrigsten Gängen mit betätigter Drosselklappe noch zusätzlich bremsen muß. Ein nervenaufreibender Wahnsinn, den in Europa bestimmt irgendeine Vorschrift schon längst verboten hätte - hier die einzige Möglichkeit, durch den Dschungel aus undurchdringlichen urtümlichen Wäldern und Bergen zu kommen! Erst als ich im Tal ankomme, merke ich meine Schmerzen im gesamten Kiefer! Die Abfahrt hat derart viel Konzentration erfordert, daß ich meine Anspannung überhaupt nicht gespürt habe. Ebenfalls erst jetzt realisiere ich, wie dumpf und leise ich alles wahrnehme... meine Ohren haben noch immer den Unterdruck aus der Höhe und noch keine Gelegenheit gefunden, sich wieder der Umgebung anzupassen.
Nach mehreren Rundgängen entlang meiner kleinen Küste, sitze ich später in meinem Campingstuhl direkt am Ufer und versuche wieder einmal die Welt um mich herum mit meinen Sinnen aufzunehmen, während manchmal die Gedanken allein spazieren gehen... Wie wäre es jetzt zu Hause? Genau jetzt? Eingezwängt von Wänden, Häusern, Straßen, immerwährendem Lärm - mit dem Wunsch, "etwas" machen zu wollen, aber nicht zu können... ohne mich erst entsprechend umzuziehen... und dann: Wohin? Wohin, um "das" hinter mir zu lassen? Hier gehe ich nur vor die Tür und schon bin ich in einer anderen Welt! Ein Kolibri, von Kopf bis Schwanzspitze gerade so groß wie mein Daumen, flirrt direkt hinter mir in einem Busch mit tiefroten Blüten. Später segelt ein riesiger Karakara in 3 Meter Höhe und weniger als 5 Meter ohne jeden Flügelschlag an mir vorbei. Vor mir sind die schwer verhangenen Berge, die schwebenden Wolken davor, das unfaßbar leuchtende Grün des Teppichs aus Algen über den Steinen am Ufer, das leise Plätschern der kleinen Wellen, der Geruch von Salzwasser, Tang und Algen, das Pfeifen von Ibissen, Bandurriras, Reihern und Vögeln von denen ich nicht `mal ansatzweise weiß, welche Namen man ihnen gegeben hat... und dann, schon weit nach 1900 Uhr und bei der Wolkendecke über mir auch schon reichlich dämmerig, eine deutliche Bewegung am Rand meines Gesichtsfeldes... Da sind wieder Delfine, diesmal gleich eine ganze, langgezogene Schule. Fast immer zwei Tiere eng beisammen aber eben mehrere Paare hintereinander. In weniger als 15 Metern Entfernung ziehen sie langsam an mir und der kleinen Landzunge, jetzt, bei Ebbe, mit den algenüberzogenen Felsbrocken, vorbei. Ich weiß nicht, was dazu führt, daß wir Menschen so ergriffen auf diese im Meer lebenden Säugetiere, reagieren. Ich spüre nur, wie sehr es mich berührt, diese Tiere nur wenige Meter von mir entfernt zu sehen und ich glaube fest daran, daß sie mich ebenfalls wahrnehmen. Einer der kleinen Säuger macht sogar zwei oder drei Sprünge, als ob seine Freude über das Leben ihn dazu verleiten würde... Ich führe fast ein archaisches Leben - ohne Hauswände, ohne Straßen, Ampeln, Hupen, Sirenen, Rasenmähern, lebe fast immer unter freiem Himmel in einer Natur, die noch so ursprünglich und unberührt erscheint, wie es im viel zu dicht bevölkerten und über Jahrhunderte kultivierten, von uns Menschen angepaßten Europa, unmöglich ist. Im Gegensatz zu meinen Vorfahren vor Jahrtausenden und Jahrzehntausenden, habe ich nahezu keinen Überlebensnotwendigkeiten nachzukommen. Ich muß mich nicht nach Quellen umschauen, muß weder jagen noch sammeln um Nahrung zu beschaffen, muß nicht auf Schutz vor den Herausforderungen des Wetters achten, da ich mein Haus nicht nur wie meine Vorfahren immer dabei, sondern auch immer aufgebaut habe. Ohne das ich die Ressourcen in meiner Umgebung erschöpft habe, ziehe ich in nahezu vollkommener Freiheit weiter, wann immer ich will... Ich spüre einen tiefen Frieden und eine ebenso tiefe Befriedigung - ja, es ist ein Privileg, das alles erleben zu dürfen.
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Du bist hier: Global-Wanderer > Reisen > Südamerika > Inhaltsverzeichnis > 3. Törn > Carretera Austral > Teil II > Rio Frio Rio Frio bei Villa VanguardiaWie es sich für das patagonische Wetter gehört, scheint am nächsten Tag, am Freitag, dem 13. Dez. `24 (hui, das merke ich ja jetzt erst, wo ich diese Zeilen schreibe...), geht die Fahrt auf der Carretera Austral weiter in Richtung Norden - natürlich wieder auf einer staubigen Piste. Von den steil aufragenden Wänden neben mir, sind immer wieder kleine und größere Felsen herunter gestürzt. Unzählige tiefe Kerben in der Fahrbahn zeigen es deutlich. Alle zeigen deutliche Kratzspuren von den schweren Maschinen der CONAF (Corporación Nacional Forestal, der chilenischen Forstbehörde, die diese Pisten betreut), die sie über den anderen Pistenrand geschoben haben. Einige davon haben Größen von 5x3x2 Metern, also 30 m³! Bei einem mittleren spezifischen Gewicht von ~ 3 g/cm³ bringen sie also locker 90 Tonnen auf die Waage!!! Da denke ich schon an ein Lotteriespiel und das jeder schon davon gehört hat, daß auch immer wieder `mal jemand gewinnt... Später, wieder auf asphaltierter Carretera, fahre ich mit dem Wanderer über eine Brücke mit einer Tafel "Puente Helmut Hopperditzel" und muß erneut daran denken, daß sehr viele deutsche Auswanderer vor 150 und 200 Jahren hier den südlichen Teil Chiles von Temuco bis Puerto Montt urbar gemacht haben. Auch heute noch sind hier ihre Wurzeln unübersehbar, nicht zuletzt bei Schildern wie "Kaffee und Kuchen" in den Orten... Am Ende meiner heutigen Fahretappe erreiche ich am äußersten Ende einer kleinen Piste abseits der Carretera Austral, meinen nächsten Stellplatz am Rio Frio ("kalter Fluß") bei Villa Vanguardia. Von hier führt nur eine abenteuerliche, schwankende Hängebrücke über den türkis leuchtenden Fluß zu einer kleinen Estancia auf der anderen Seite. Bei einem meiner Fotoausflüge stehe ich genau auf dieser Brücke, während eine ältere Frau von einem PKW auf "meiner" Seite abgesetzt wird. Als sie die Brücke betritt, kommen zwei freudig bellende Hunde über die Brücke gestürmt und erzeugen dabei spürbare Vibrationen. Sie -kein Wort englisch- und ich -viel zu wenige Worte spanisch um damit eine Unterhaltung führen zu können- führen trotzdem ein kleines "Gespräch". Als ich sie dann aber frage, ob ich mit meinem Fahrzeug "dort" über Nacht stehen bleiben darf/kann, sehe ich in ihrem Gesicht deutliche Verblüffung über eine "derartige" Frage und dann, mit strahlendem Lachen, ein absolut selbstverständliches ¡si! und wir sind uns einig, daß das hier ein paraiso ist!
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Austral > Teil II > es geht weiter...
es geht weiter.....zuerst natürlich mit dem Video der Fahrt zum Fiordo Queulat und
weiter zum Rio Frio bei Villa Vanguardia.
Auch dieses Video kann -wie jedes andere- durch Doppelklick auf Vollbild vergrößert werden!
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