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auf der Carretera Austral - Teil II

Carretera Austral

Mit dem Wanderer habe ich seit dem Lago Carrera jetzt schon einige hundert Kilometer auf der Carretera Austral in Chile, der Ruta 7, auf dem Weg nach Norden zurückgelegt und erreiche am Fiordo Queulat die Fjord- und Inselwelt am Pazifik. Entlang und durch die weiterhin imposante Bergwelt führt mich die Carretera Austral bis Chaitén und Caleta Gonzalo. Von hier aus gibt es durch die bergige und zerklüftete Andenwelt keine Möglichkeit mehr, auf Straßen oder Pisten weiter nach Norden zu kommen. Mit zwei Fähren geht`s dann weiter durch die Fjorde bis Hornopirén und dem wirklichen Ende -besser Beginn- der Carretera Austral in Puerto Montt.

Die nebenstehende Karte zeigt meine gesamte Fahrstrecke, angefangen von der Südspitze des Lago Carrera bis zum Endpunkt der Carretera, in Puerto Montt.

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Fiordo Queulat

Dschungelpfad zum Salto el Cóndor
Dschungelpfad zum Salto el Cóndor

 

Salto el Cóndor

 

Als ich am nächsten Morgen meinen Stellplatz am Rio Cisnes verlasse, haben sich die Wolken tief auf meine Welt gelegt und geben der Sonne heute keine Chance. In einer der unzähligen Serpentinen machen ein kleines Schild und eine Haltebucht auf den Wasserfall Salto el Cóndor aufmerksam. Kurzentschlossen schlage ich mich auf dem nassen und rutschigen Pfad durch den dichten Dschungel aus Bambus, Farnen und Bäumen und kann so wenigstens `mal das sehen, was sonst während der Fahrt im Wanderer viel zu schnell an meinen Augen vorbei zieht.

Noch während des Aufstiegs zum nächsten Paß kommt wieder das gefürchtete Schild "Fin de Pavimento" und es beginnt erneut eine verdammt fürchterliche Piste. Kurz bevor ich den Paß erreiche, scrollt das Navi auf die nächsten paar hundert Meter vor mir und ich traue meinen Augen kaum! Die angezeigten Serpentinen folgen derart eng und dicht, daß sie nur noch in Vergrößerung auf dem Display aufgelöst werden! Die Realität ist noch brutaler! Die Kehren sind derart steil und auch mit bösen Stolpersteinen durchzogen, daß ich selbst in den niedrigsten Gängen mit betätigter Drosselklappe noch zusätzlich bremsen muß. Ein nervenaufreibender Wahnsinn, den in Europa bestimmt irgendeine Vorschrift schon längst verboten hätte - hier die einzige Möglichkeit, durch den Dschungel aus undurchdringlichen urtümlichen Wäldern und Bergen zu kommen! Erst als ich im Tal ankomme, merke ich meine Schmerzen im gesamten Kiefer! Die Abfahrt hat derart viel Konzentration erfordert, daß ich meine Anspannung überhaupt nicht gespürt habe.

Ebenfalls erst jetzt realisiere ich, wie dumpf und leise ich alles wahrnehme... meine Ohren haben noch immer den Unterdruck aus der Höhe und noch keine Gelegenheit gefunden, sich wieder der Umgebung anzupassen.

 

..und dann ist es soweit! Ich habe den Pazifik erreicht! Na ja, noch nicht den offenen Ozean, aber den ersten Ausläufer der zerklüfteten Fjord- und Inselwelt hier im Süden Chiles bei Puyuhuapi. Das Wasser des Fiordo Queulat ist durch die tiefe Wolkendecke so tief dunkelgrün-grau, fast schwarz, wie ich es als kleiner Junge vom Königssee in Erinnerung habe. An einem riesigen, erhabenen Felsen, abseits der Piste, sitze ich bei meinem ausgiebigen Frühstück am Tisch, schaue auf den Fjord und wieder traue ich meinen Augen kaum... unter mir, vielleicht 20 oder 30 Meter entfernt, cruisen zwei Delphine durch`s Wasser! Nur, als ich endlich die Kamera in der Hand halte, sind die beiden schon längst wieder weg! Nach meiner Pause krabbel ich aus dem Wanderer, diesmal mit schußbereiter Kamera... und habe Glück! Ich bekomme sie, diesmal sogar vier Delphine, sogar auf "Film"!
Als ich später auf meinem Übernachtungsplatz stehe, frage ich Tante Google und erfahre, daß hier die Weißbauchdelfine, bekannt als "Chilenische Delfine", zu Hause sind. Wiki sagt dazu, daß es eine endemische Delfinart ist, die ausschließlich hier, an der Südküste Chiles bis zum Kap Horn zu finden ist.

Fiordo Queulat

 

Nach mehreren Rundgängen entlang meiner kleinen Küste, sitze ich später in meinem Campingstuhl direkt am Ufer und versuche wieder einmal die Welt um mich herum mit meinen Sinnen aufzunehmen, während manchmal die Gedanken allein spazieren gehen...

Wie wäre es jetzt zu Hause? Genau jetzt? Eingezwängt von Wänden, Häusern, Straßen, immerwährendem Lärm - mit dem Wunsch, "etwas" machen zu wollen, aber nicht zu können... ohne mich erst entsprechend umzuziehen... und dann: Wohin? Wohin, um "das" hinter mir zu lassen? Hier gehe ich nur vor die Tür und schon bin ich in einer anderen Welt! Ein Kolibri, von Kopf bis Schwanzspitze gerade so groß wie mein Daumen, flirrt direkt hinter mir in einem Busch mit tiefroten Blüten. Später segelt ein riesiger Karakara in 3 Meter Höhe und weniger als 5 Meter ohne jeden Flügelschlag an mir vorbei. Vor mir sind die schwer verhangenen Berge, die schwebenden Wolken davor, das unfaßbar leuchtende Grün des Teppichs aus Algen über den Steinen am Ufer, das leise Plätschern der kleinen Wellen, der Geruch von Salzwasser, Tang und Algen, das Pfeifen von Ibissen, Bandurriras, Reihern und Vögeln von denen ich nicht `mal ansatzweise weiß, welche Namen man ihnen gegeben hat... und dann, schon weit nach 1900 Uhr und bei der Wolkendecke über mir auch schon reichlich dämmerig, eine deutliche Bewegung am Rand meines Gesichtsfeldes... Da sind wieder Delfine, diesmal gleich eine ganze, langgezogene Schule. Fast immer zwei Tiere eng beisammen aber eben mehrere Paare hintereinander. In weniger als 15 Metern Entfernung ziehen sie langsam an mir und der kleinen Landzunge, jetzt, bei Ebbe, mit den algenüberzogenen Felsbrocken, vorbei. Ich weiß nicht, was dazu führt, daß wir Menschen so ergriffen auf diese im Meer lebenden Säugetiere, reagieren. Ich spüre nur, wie sehr es mich berührt, diese Tiere nur wenige Meter von mir entfernt zu sehen und ich glaube fest daran, daß sie mich ebenfalls wahrnehmen. Einer der kleinen Säuger macht sogar zwei oder drei Sprünge, als ob seine Freude über das Leben ihn dazu verleiten würde...

Ich führe fast ein archaisches Leben - ohne Hauswände, ohne Straßen, Ampeln, Hupen, Sirenen, Rasenmähern, lebe fast immer unter freiem Himmel in einer Natur, die noch so ursprünglich und unberührt erscheint, wie es im viel zu dicht bevölkerten und über Jahrhunderte kultivierten, von uns Menschen angepaßten Europa, unmöglich ist. Im Gegensatz zu meinen Vorfahren vor Jahrtausenden und Jahrzehntausenden, habe ich nahezu keinen Überlebensnotwendigkeiten nachzukommen. Ich muß mich nicht nach Quellen umschauen, muß weder jagen noch sammeln um Nahrung zu beschaffen, muß nicht auf Schutz vor den Herausforderungen des Wetters achten, da ich mein Haus nicht nur wie meine Vorfahren immer dabei, sondern auch immer aufgebaut habe. Ohne das ich die Ressourcen in meiner Umgebung erschöpft habe, ziehe ich in nahezu vollkommener Freiheit weiter, wann immer ich will... Ich spüre einen tiefen Frieden und eine ebenso tiefe Befriedigung - ja, es ist ein Privileg, das alles erleben zu dürfen.

 

Berge am Fiordo Queulat
trotz der schweren Wolken zeigen die dicht mit Algen bewachsenen Felsen ein strahlendes Leuchten

 

mit Algen bewachsenen Felsen

 

Algen

 

Felsen

 

Ich bin nun schon einige Tage mit dem Wanderer auf der Carretera Austral unterwegs. Manchmal mit Tagesetappen von nur 20 Kilometern, manchmal 40 oder 50 und nur selten 100 Kilometer weit. Meistens schlage ich mein Lager am Ufer eines Sees oder eines Flußlaufes auf, immer mit einem Panorama um mich herum, welches mich jedesmal auf`s Neue zum Staunen bringt. Nur selten fahre ich einen Campingplatz an, genieße dann eine herrlich heiße Dusche, erledige meinen kleinen Einkäufe im nahegelegenen Ort, treffe andere Overlander und werde auch immer wieder davon überrascht, daß ich aus kleinen PickUp`s mit aufgesetzter Kabine und chilenischem Kennzeichen, plötzlich auf deutsch angesprochen werde. Es sind Urlauber aus der Heimat, die sich für 5 oder 6 Wochen einen Mietwagen genommen haben und hier, im südlichen Chile unterwegs sind.
Immer, wirklich immer, kommen dann diese zwei Situationen: "Du bist allein unterwegs? Ohne Frau?" ..und dann sind alle viel zu höflich, um noch Bemerkungen zu machen wie "ja, aber ist man da nicht sehr einsam...?" Bei wenigen dieser Begegnungen, die länger, intensiver und näher sind, kommen dann in teilweise sehr schönen Gesprächen natürlich auch einige Erzählungen von mir, zu meinem Lebensweg, meinem Alter, dem Wanderer und dann freue ich mich sehr über die Bestätigung und Anerkennung, "es" absolut richtig zu machen!
Die zweite, immer wiederkehrende Situation, entsteht beim Austausch über unsere Reiserouten und Erlebnisse: "Wie lange bist du schon in Südamerika unterwegs? Im dritten Jahr? ...ohhh, das ist ja toll! Sooo viel Zeit zu haben...". Diese kleinen und größeren Begegnungen tun meiner Seele natürlich gut und sind auch so manches Mal spannend, interessant und oder einfach nur schön... manchmal haben sie bei mir aber doch kleine Nachwirkungen. Später, am Abend, wenn ich wieder allein im Wanderer sitze, kriecht dann ein bischen Wehmut und auch Traurigkeit in die Gedanken... Zum Glück passiert das sehr selten und ebenfalls zum Glück, habe ich im Laufe der Zeit mein kleines Päckchen mit Gedanken geschnürt die mir dabei helfen, nicht in die Traurigkeit zu sinken! So manches Mal bin ich auf solchen Plätzen schon am Abend an einem Wohnmobil vorbei gekommen und habe lautes und giftiges Gezeter aus dem Aufbau gehört und bin, peinlich berührt, mit schnelleren Schritten weiter gegangen. Dann schmunzel ich ein wenig in mich hinein und freue mich darüber, daß ich mich mit mir selbst eigentlich nie streiten muß! Nie gibt es Auseinandersetzungen über Langeweile, zu viel Enge, die falsch ausgedrückte Zahncremetube oder Diskussionen, wann es endlich weiter geht und wann "man" endlich `mal wieder richtig Essen geht. Zu meinem kleinen Päckchen gehört auch der Gedanke daran, wie es jetzt, genau jetzt, Zuhause wäre... Hier muß ich mich absolut keinen Konventionen fügen, öffne die Tür, gehe aus dem Wanderer und stehe unter offenem, sternenübersäten Himmel. Ein Fluß rauscht direkt neben mir oder die Wellen des Ozeans spülen an den Strand. Ich spüre den unendlichen Frieden und die Ruhe um mich herum, die Faszination und die Ehrfurcht vor dieser Natur um mich herum...

 

Abendstimmung
Abendstimmung

 

 

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Rio Frio bei Villa Vanguardia

Wie es sich für das patagonische Wetter gehört, scheint am nächsten Tag, am Freitag, dem 13. Dez. `24 (hui, das merke ich ja jetzt erst, wo ich diese Zeilen schreibe...), geht die Fahrt auf der Carretera Austral weiter in Richtung Norden - natürlich wieder auf einer staubigen Piste. Von den steil aufragenden Wänden neben mir, sind immer wieder kleine und größere Felsen herunter gestürzt. Unzählige tiefe Kerben in der Fahrbahn zeigen es deutlich. Alle zeigen deutliche Kratzspuren von den schweren Maschinen der CONAF (Corporación Nacional Forestal, der chilenischen Forstbehörde, die diese Pisten betreut), die sie über den anderen Pistenrand geschoben haben.

Einige davon haben Größen von 5x3x2 Metern, also 30 m³! Bei einem mittleren spezifischen Gewicht von ~ 3 g/cm³ bringen sie also locker 90 Tonnen auf die Waage!!! Da denke ich schon an ein Lotteriespiel und das jeder schon davon gehört hat, daß auch immer wieder `mal jemand gewinnt...

Später, wieder auf asphaltierter Carretera, fahre ich mit dem Wanderer über eine Brücke mit einer Tafel "Puente Helmut Hopperditzel" und muß erneut daran denken, daß sehr viele deutsche Auswanderer vor 150 und 200 Jahren hier den südlichen Teil Chiles von Temuco bis Puerto Montt urbar gemacht haben. Auch heute noch sind hier ihre Wurzeln unübersehbar, nicht zuletzt bei Schildern wie "Kaffee und Kuchen" in den Orten...

Am Ende meiner heutigen Fahretappe erreiche ich am äußersten Ende einer kleinen Piste abseits der Carretera Austral, meinen nächsten Stellplatz am Rio Frio ("kalter Fluß") bei Villa Vanguardia. Von hier führt nur eine abenteuerliche, schwankende Hängebrücke über den türkis leuchtenden Fluß zu einer kleinen Estancia auf der anderen Seite. Bei einem meiner Fotoausflüge stehe ich genau auf dieser Brücke, während eine ältere Frau von einem PKW auf "meiner" Seite abgesetzt wird. Als sie die Brücke betritt, kommen zwei freudig bellende Hunde über die Brücke gestürmt und erzeugen dabei spürbare Vibrationen. Sie -kein Wort englisch- und ich -viel zu wenige Worte spanisch um damit eine Unterhaltung führen zu können- führen trotzdem ein kleines "Gespräch". Als ich sie dann aber frage, ob ich mit meinem Fahrzeug "dort" über Nacht stehen bleiben darf/kann, sehe ich in ihrem Gesicht deutliche Verblüffung über eine "derartige" Frage und dann, mit strahlendem Lachen, ein absolut selbstverständliches ¡si! und wir sind uns einig, daß das hier ein paraiso ist!

 

Hängebrücke
die Hängebrücke über den Rio Frio

 

Rio Frio
am Rio Frio

 

Stellplatz am Rio Frio
mein Stellplatz am Rio Frio
..an den Bäumen, dort wo die Piste zur Hängebrücke nach links schwenkt und endet...

 

Schwemmholz im Rio Frio

 

Hängebrücke

 

Cerro

 

Rio Frio bei Villa Vanguardia

 

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es geht weiter...

..zuerst natürlich mit dem Video der Fahrt zum Fiordo Queulat und weiter zum Rio Frio bei Villa Vanguardia.
Nach einem "Erholungstag" an diesem wunderschönen Ort geht`s mit dem Wanderer weiter auf der Carretera Austral nach Norden. Hier verlasse ich die Carretera für zwei Tage und erreiche über eine Piste den traumhaften Lago Yelcho.

 

Auch dieses Video kann -wie jedes andere- durch Doppelklick auf Vollbild vergrößert werden!

 

hier geht`s demnächst weiter zum nächsten Abschnitt
auf der Carretera Austral, dem Lago Yelcho...

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